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RADIO: KURZ NACHDEM ICH TOT WAR

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Deutschlandfunk, Kultur heute, 22.11. 2008

Echt falsch
Eine Bilanz des Festivals „Politik im Freien Theater“
Von Dorothea Marcus

… Die Mädchen, die die Zuschauer alle 15 Minuten in Vierergruppen abholen, spielen Ingeborg und Ursula im Jahr 1934. Wir
begleiten sie in eine kleine Turnhalle, wo uns auf Kopfhörern Zeitzeugen von den 30er-Jahren in Köln erzählen – während die
Kinder herumtoben. Ein surreales Bild. Dann werden wir weitergeleitet. „Kurz nach dem ich tot war” ist ein begehbarer
Familienroman und eine Zeitreise durch Köln.
In den 40er-Jahren empfängt man uns in einer leeren Anwaltskanzlei in einem alten Ripphahn-Bau am Neumarkt und wir landen mitten in einem Gesinnungsverhör: Wen hätten wir verraten? Sogar unsere Eltern?
Ein Zeitzeuge aus der Nachkriegszeit führt uns dann durch ein Kölner Viertel, das komplett zerbombt wurde. Wir lauschen 1968 in einem Kiosk Kölner DKP-Mitgliedern und sprechen 1986 mit ehemaligen Hausbesetzern an einem typischen WG-Tisch mit Selbstgedrehten und Gewürztee, bis wir schließlich unter den neuen Kranbauten am Rhein im Jahr 2011 ankommen.
Immer wieder kreuzen wir dabei Ingeborgs und Ursulas Lebenswege. Sie werden von sogenannten Doubles dargestellt oder auf Kopfhörern in Zeitzeugenberichten übermittelt. Was ist passiert, was nur inszeniert? Am Ende ist es nicht mehr zu unterscheiden. Wochenlang hat der Künstler Lukas Matthaei in Köln recherchiert und eine fantastische, beglückende Theatererfahrung geschaffen, die den Zuschauer in drei Stunden auf nie geahnte Weise mit sich selbst, der Stadtgeschichte, der Aura von unbekannten Orten und Zeiten konfrontiert.