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PRESSE : BURNING DOWN THE HOUSE!

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Das Theater spielt verrückt
Dr. Mabuse trifft E.T.A. Hoffmann:

Regisseur Lukas Matthaei bringt im HAU 1
„Burning Down The House“ auf die Bühne
Von Katrin Pauly
Das Theater lebt! Und damit ist an diesem Abend ausnahmsweise mal nicht das
Geschehen auf der Bühne…tschuldigung, Telefon! Da sollte mal jemand drangehen. Ich
vielleicht? Das Mobilteil liegt direkt neben meinem Zuschauersitz. Na gut. Eine Stimme
sagt: „Wir müssen sprechen! Täuschen Sie mich nicht, das könnte Konsequenzen für uns
alle haben.“ Das will ich natürlich nicht riskieren und beantworte dieser fremden Stimme
seltsam bereitwillig Fragen wie: „Wann haben Sie einem geliebten Menschen zuletzt
etwas vorgemacht?“ Das Publikum als manipulierbare Masse, gespenstisch.
Überhaupt geht’s hier kein bißchen mit rechten Dingen zu. Das Theater spielt verrückt,
und wir sind mittendrin. Von geheimen Mächten dirigiert, von blinden Guides geführt,
von irgendeiner höheren Macht zu irgendeinem höheren Zweck bestimmt. Ob das Ganze
gut oder böse enden wird, ist nicht ganz klar. Wir wissen nur eins: Ein gewisser Herr Dr.
Mabuse ist auch mit im Spiel. Und der Titel des Abends, den „Matthaei & Konsorten“
fürs HAU 1 konzipiert haben, klingt nicht sehr vertrauenerweckend: „Burning Down The
House!“, der Untertitel schon seriöser: „Dr. Mabuse probt Tarkovskijs ,Hoffmanniana’“.
Tatsächlich hat sich Regisseur Lukas Matthaei einen ziemlich komplizierten
theoretischen Überbau für sein höchst unterhaltsames Theatererkundungsspektakel
zurechtgebastelt: Im Jahr 1922 feierte Fritz Langs „Dr. Mabuse“ im Zoo-Palast Premiere.
Einige der Film-Darsteller spielten zeitgleich in einem E.T.A.-Hoffmann-Abend am
Hebbel-Theater. Hoffmann seinerseits war Protagonist eines niemals gedrehten Films des
russischen Regisseurs Andrej Tarkovskij. Aber das muß man eigentlich alles gar nicht
wissen, nur vielleicht, daß alle drei Themen irgendwie mit dem Hebbel-Theater
verbunden sind. Und daß alle Figuren, die an diesem Abend das Geschehen dirigieren,
genauso gut Personal in einem von Hoffmanns Märchen sein könnten wie auch
Handlanger in Mabuses Manipulationsmaschinerie.
Hoffmann hin, Mabuse her, Regisseur Matthaei zeigt das Theater als großen
Zauberapparat, in dessen Keller geheime Séancen zwecks Beschwörung großer
Theatergeister wie Piscator, Brecht und Co. zur Musik von Tocotronic stattfinden. Er
schmeißt die Illusionsmaschine unter der Drehbühne an, wo Peter Pankow sich als
geheimer Strippenzieher des Bühnengeschehens offenbart, er scheucht das Publikum
durchs ganze Haus durch muffige Magazinräume bis in luftige Höhen, auf der Bühne
singt jemand Hoffmanns „Tre Canzonette Italiane“. Direkt daneben steht ein Sultan, der
mit einem stotternden Mädchen Texte probt.

Wir wissen längst nicht mehr, wo oben und unten ist. Und überhaupt: Wo ist eigentlich Doktor Mabuse, der alte Magier? Egal, den brauchen wir nicht, das schafft der Matthaei auch allein: Nämlich, all jene, die immer glaubten, daß ein Theater den Zauber verliert, sobald man es von hinten sieht, daß der Blick hinter die Bühne die Illusion zerstört, grundlegend eines besseren zu belehren.