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Presse : Die Blinden

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Schleier vor der Iris

… In ihrem schwankenden Verhältnis zueinander reflektieren Sprache und Musik die Spannung zwischen dem Menschen und der Welt. So löst sich das Wort aus dem Gesamtklang, ist nicht mehr musikalisches Element. Je deutlicher es als es aber als Sprache verständlich wird, umso mehr verläßt es den Schutz der Musik.

Furrer hat das virtuos komponiert. Wort und Musik fließen ineinander, in Sprachklang oder Klangsprache. So schwebt auch Furrers Musik zwischen Dunkel und Licht, ist so flüchtig und schattenhaft wie die Erscheinungen in Platons Höhle: Man ahnt, was hinter dieser Musik stecken könnte, doch man wird es nie wirklich gewahr. Jede Explosion ist letztlich nur die Vorstufe einer Explosion, fällt schnell wieder in sich zusammen, jede Andeutung von Klarheit wird wieder verschleiert. Das geht bis in die Totale: So spürt man untergründig, dass Form und Struktur Furrers Werk zusammenhalten, doch wie sie es tun, kann man nicht sagen. Dass die Welt nur ein Schatten ist, eine Simulation, was bei Beat Furrer nicht wirklich behauptet, sich aber doch befürchten lässt, setzt die Inszenierung als gegeben voraus. Statt Menschen zeigt sie nur noch Bilder von Menschen, sehr unscharf zunächst, nahezu abstrakt, doch dann immer konkreter, bis man Konturen erkennt: Menschen auf der Straße, Menschen auf einer Rolltreppe – schließlich Gesichter, Augen, eine Iris. …

Raoul Mörchen, Berliner Zeitung, 17. Oktober 2000

Das Dunkel der Moderne auf ihrem Weg des Suchens ausleuchten

… Um die Visualisierung tastender, auch behinderter und verstörter Wahrnehmung ging es der Inszenierung. Man schickte Kameras auf Suche und präsentierte die Beute auf dem Gazevorhang vor dem im Bühnenhintergrund agierenden Vokal- und Instrumentalensemble, auf einen kleinen Farbfernsehbildschirm sowie eine drehbare Projektionsleinwand mittlerer Größe. Da also erschienen nun, ohne daß Sänger dazwischengefunkt hätten oder gar gebrechliche Gestalten mit Armbinden und Blindenstöcken herumgetapert wären, erst elementare „Lichtbilder“, dann Impressionen aus Aachens Straßen und Porträts von Passanten. Am Ende – übergroß: Augen. …

Frieder Reininghaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Oktober 2000