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Winterreisen I

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berlin – schubert – stalingrad

 

choreographisches Projekt ausgehend von Hans Hotters Einspielung der WINTERREISE 1943 in Berlin, zeitgleich zu Stalingrad
1. Veröffentlichung: 24stündige Performance, live-Forschung, Materialsichtung, Diskursproduktion, Erschöpfung, Freiheit des Publikums

Harry‘s Matratzen Discount Berlin

6. März 04, 13.27h – 7. März 04, 13.27h

 

März 2004:

1942/43 singt der berühmte Heldenbariton Hans Hotter in der Reichshauptstadt Berlin die “Winterreise“ von Schubert ein. Fürs Radio & die Deutsche Grammophon. Während sich in Stalingrad die 6. Armee ins gefrorene Ufer der Wolga eingräbt. Mein liebes Finchen! / Nach getaner Arbeit ist gut ruhen, so sagt ein altes Sprichwort. Weist Du, mein Lieb, wir haben unsern Bunker ein wenig nett gemacht. Der sah nämlich ganz schlimm aus. Wir hatten beim Bau desselben nämlich gar nicht damit gerechnet das wir wohl so lange hier sein würden als wie es nun der Fall geworden ist. / Dein Hans! Die Deutschen kapitulieren im Zentrum der Stadt am 31. Januar `43. Im letzten Hauptquartier, dem “Roten Kaufhaus“. Am Geburtstag Schuberts. Krepieren wird in der Heimat zum kollektiven Opfer erhoben. Will dich im Traum nicht stören, wär schad um deine Ruh, / sollst meinen Tritt nicht hören, sacht, sacht, die Türe zu. Schuberts Radikalität ist heute in der entfernten Eiswüste hehrer Hochkultur konserviert, “Stalingrad“ im deutschen Mythos von Konsalik bis Müller, von Knopp bis Kluge eingeschlossen. Aber je länger man hinschaut, beginnen die Bilder zu schmelzen. WINTERREISEN I: Berlin 2004 / Stresemannstr. 93 – Matratzen-Discount neben der Kriegsruine des Anhalter Bahnhofs, gegenüber von „Deutschland-Haus“ & „Europa-Haus“ aus den 50er Jahren, die Brache von Reichskanzlei & „Topographie des Terrors“ in Sichtweite, der neue Potsdamer Platz am Ende der Straße / 17 Tänzer / Performer bauen sich aus den Abfällen der Stadt für 24 Stunden eine provisorische Behausung / flüchtiger “Bunker” als Kunstraum flächiger Gefühlsforschung: Auf welchem Fundament sind unsere urbanen Gefühle errichtet? Ist das Versprechen der Romantik der Rettung wert? 24 Stunden, 24 Lieder lang wird die musikalische, visuelle und körperliche Ausbeute der WINTERREISE inmitten der Besucher erprobt / Verausgabung ist Motor und Quelle der Interaktion / Ruhemöglichkeiten & Verpflegung werden gestellt. WINTERREISEN I ist die erste Veröffentlichung zum Tanztheater WINTERREISEN, das danach im Hebbel am Ufer Berlin / HAU2 seine theatrale Engführung präsentieren wird. WR I versteht sich im Gesamtrahmen als open-source-project, welches das bis dahin erarbeitete choreographische  tänzerische/inszenatorische/räumliche/musikalische/konzeptionelle Material auffächert & einer Belastungsprobe unterzieht. Die Konventionen von Zeitdauer, Performer- & Betrachterposition werden aufgehoben, in einem Setting zwischen strikter Regelhaftigkeit & notwendiger Improvisation werden Grundaspekte der Auseinandersetzung mit den Themen zur je eigenen Erfahrung der Anwesenden. – 24 Stunden Catering – 24 Stunden Bibliothek & Handapparat zur freien Verfügung der Besucher: exemplarische Einspielungen der Winterreise, wissenschafltiche Literatur zu „Stalingrad“ & Schubert, sowie Videos zu beiden – 24 Stunden lang lesen Besucher aus Walter Kempowski „Das Echolot – Ein kollektives Tagebuch / 1.1. – 18.1.1943“, ihre Stimmen werden live auf die Straße übertragen – 24 Stunden lang arbeitet die Kostümabteilung & stattet alle Beteiligten & Besucher mit wärmender Kleidung aus – 3 Stunden verbringen jeder der Tänzer + Regie & Dramaturgie jeweils in der „Ego-Box“: isolierte Einzelkabine, aus der heraus Bild & Ton in den Performance-Space übertragen werden können 13:27 Gute Nacht Ankunft/Einzug/Aufbau Zuflucht für 24 Std./Übernahme der Räumlichkeiten 14:27 Die Wetterfahne Die Rote Armee beginnt die Operation „Uranus“/Körperskulpturen 15:27 Gefrorne Tränen automatic camera/Reigen/Duett gesungen/Luftversorgung des Kessels 16:27 Erstarrung Gruppe 17:27 Der Lindenbaum Auslieferung Feldpost/Rote Arme greift Flugplätze an/Awareness through movement 18:27 Wasserflut Abendbrot/Stalingrad-Filme I. Teil/FI‘s 19:27 Auf dem Flusse Niederwerfung/Hüttenräumung/Beginn des Entsatzangriffes der IV. Panzerarmee 20:27 Rückblick Wiederaufbau/cocooning/Winterhilfswerk2 21:27 Irrlicht Doppelduett/Stalingrad-Filme II. Teil 22:27 Rast Verknotung/Weihnachtspropaganda der Roten Armee 23:27 Frühlingstraum Circel/Erinnerung,free-style/die Hungertoten werden pathologisch untersucht 0:27 Einsamkeit Duette Tänzer/Nicht-Tänzer / Sylvster im Kessel 1:27 Die Post Reigen 2:27 Der greise Kopf Solo für eine Tänzerin & zwei Assistenten 3:27 Die Krähe Blindtanz/Rote Armee beginnt mit der Liquidation des Kessels 4:27 Letzte Hoffnung Blindtanz 2 5:27 Im Dorfe Gäste im Bunker 6:27 Der stürmische Morgen Furioso 7:27 Täuschung Frühstück 8:27 Der Wegweiser Duett, gesungen/Übergabeverhandlungen/Aikido 9:27 Das Wirtshaus Circel 2/awareness through movement 10:27 Mut bodysculptures 11:27 Die Nebensonnen best of berlin-schubert-stalingrad 12:27 Der Leiermann Abbau/Auszug/Duett, gesungen/Ausrufung totaler Krieg

von & mit Sabine Blickenstorfer, Friederike Donath, Lin Fichte, Kathi Fourest, Marie Goeminne, Solveig Hansen, Annett Hardegen, Bodo Herrmann, Clint Lutes, Josh Martin, Jörg Lukas Matthaei, Friederike Plafki, Ingo Reulecke, Mata Sakka, Jan-Peter E.R. Sonntag, Franz Tröger, Tony Vezich Gefördert durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung & Kultur, Berlin, & den Fonds Darstellende Künste e.V. aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur & Medien