FFT Düsseldorf Juni 2017
Seit dem 19. Jahrhundert war Oberbilk die Düsseldorfer Arrival City für neu ankommende Arbeitsmigranten. Malocher aus Belgien, der Eifel & Osteuropa wurden im großen Schmelztiegel der Schwerindustrie zu Einheimischen gemacht, die heute die Normalbevölkerung bilden. In der Folge von wirtschaftlichen & politischen Großwetterlagen vergrößerten sich die Einzugsgebiete des Viertels immer mehr, so daß heute alle Wachstumsringe der Globalisierung an ihm abzulesen sind.
In seiner Geschichte hat das Quartier hinter den Bahngleisen einige Wellen erlebt von wegschauendem Herabsinken bis zu aufgeputschter Faszination am selbstgemachten „Fremden“. Während in den letzten Jahren Medien & Auswärtige hier eine Melange aus Kriminalität & Entwicklungsbedarf entdeckten, die aus den immer gleichen Bildern angerührt wird, folgt als Gegenreaktion freundlich gemeinter Exotismus & schwappt eine Welle von Kulturprojekten ins Viertel.
Wie navigieren zwischen diesen Polen? SONGBOOK OBERBILK ist der Auftakt für eine einjährige Beschäftigung mit dem Viertel zwischen Traditionen & Umbruch, jenseits von Klischees & schnellen Bildern. Was bedeutet das Quartier für seine Bewohner*innen selbst? Welche neuen Identitäten können sich hier bilden — oder sind es die alten, die festhalten? Ist Oberbilk eines der Gewächshäuser, in dessen Alltag Muster für kommende Gesellschaften heranwachsen – oder geht es um die eindämmende Verwaltung von Marktverlusten? Und wenn die Bahnhofsgegend in den kommenden Jahren „aufgewertet“ werden soll – werden dann die Straßen & Plätze um die Ellerstraße für Großinvestoren freigegeben, um als „Petite Marrakech“ vermarktet zu werden? Sind die gewachsenen Strukturen des Viertels stark genug, um einer unreflektierten Immobilienpolitik zu widerstehen – oder kommt die Gentrifizierung vielmehr den Ansässigen selbst zugute?
Ein Projekt im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.