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PRESSE : SPREEZONE

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Der Luna Park im Plänterwald

Das HAU eröffnet im stillgelegten Vergnügungspark im Plänterwald ein Wochenende lang einen stadtentwicklungskritischen Luna Park.

 

Am rostenden Eingangstor des Spreeparkgeländes im Plänterwald steht auf einem DIN-A4-Blatt hinter Klarsichtfolie „Café Mythos“. Guter Name für das provisorische Plastikstuhlensemble, das Sabrina Witte um ihre Gastro-Bambushütte zwischen Pappeln, Strohballen und einem großen Plastikdinosaurier im Eingangsbereich aufgebaut hat. Seit seiner Schließung vor zehn Jahren verfällt der ehemalige VEB Kulturpark Berlin zur eingezäunten Brache, in der die alten Karusselle und Jahrmarktattraktionen friedlich vor sich hin rosten. Die Insolvenz des damaligen Betreibers sorgte dafür, dass der alte realsozialistische Vergnügungspark den Sprung in die Marktwirtschaft nicht lange überstanden hat. In gewisser Weise ist der geschlossene, funktionslos gewordene Spreepark Berlins schönster Geschichts- und Themenpark, ein Denkmal der geplatzten Nachwende-Spekulationen wie der DDR-Spaßgesellschaft. Jetzt entdeckt das HAU mit seinem Luna Park den Ort für ein Wochenende neu. Und nutzt ihn nebenbei, um über die Berliner Gegenwart nachzudenken. „Wir wollen uns zu momentanen Entwicklungen in der Stadt verhalten: zu Tourismus und Kiezverdrängung, aber auch an eine Form von Freizeitverhalten anknüpfen, die es so heute nicht mehr gibt“, sagt Kuratorin Stefanie Wenner. Luna Park bespielt den Park ganz traditionell mit Biergarten, Tieren, und Karussells. Dazu gibt’s Diskussionen und natürlich HAU-spezifische Sensationen und Schaustellerei.

Gemeinsam hatten die Gamedesigner von Invisible Playground und die Theatermacher Matthaei & Konsorten bereits bei den Wiener Festwochen im letzten Jahr mit „Schwellenland“ interaktives Theater und Internet verschränkt. Ihr neues Transmedia-Game heißt „Spreezone – Der kommende Park“. Die Idee: Der Spreepark, in dem das Game beginnt, und der Stadt, auf die es sich im Anschluss drei Wochen lang ausweitet, spiegeln sich ineinander. Das, was in Berlin gerade passiert, nennt Lukas Matthaei „Parkisierung“. Wenn man ganz Berlin als großen Vergnügungspark für Kamerateams, EasyjetsetTouristen und andere Amüsiermeilenbesucher sieht, dann ist – zumindest für diesen Blick – die Berliner Wirklichkeit die Attraktion – die Stadt als Spektakel. Deshalb bilden bei „Spreezone“ 700 Mitspieler eine Community, die drei Wochen lang über Internet und Handy vernetzt ist, und in „Schaustellerclans“ darum konkurriert, wer die besten Attraktionen in der Stadt baut. Am Spielanfang werden die Mitspieler im Spreepark durch „Ranger“ ausgebildet. Auf einzelne Stationen im Park verteilt, vermitteln sie Kompetenzen für bestimmte Orte der Stadt − beispielsweise fürs Sozialcasino Hellersdorf oder dem Couture-Discount in Wilmersdorf. „Spreezone ist Abenteuer, aber auch ein Raum zum Nachdenken“, sagt Sebastian Quack. Dass sich die realen Orte gegen ihre Fremdbespielung wehren, gehört zum Spiel, das im Mauerpark, Wrangelkiez oder bei der Admiralsbrücke längst Wirklichkeit ist. (…)

Anja Quickert, tip Berlin, 25. Mai 2011